Dienstag, 8. September 2015

“Landung“ in Hamburg statt am Camino del Norte

Manchmal kann man sich nicht aussuchen, wo man landet.

Ich war gestern bereits in Hamburg in die S-Bahn Richtung Flughafen eingestiegen, als ich plötzlich Herz- Und Kreislaufprobleme bekam. Mitfahrgäste betreuten mich und riefen den Notarzt, der mich nach medizinischer Erstversorgung in das Krankenhaus Wandsbek einlieferte. Im Moment geht es mir auch nach ersten Untersuchungen gut - ein Herzinfarkt kann wohl ausgeschlossen werden. Ich bin nur froh, dass das alles noch in Deutschland passiert ist und nicht auf dem einsamen Camino.

Nun findet mein Jakobsweg also auch diesmal nicht statt - so sehr ich das auch bedaure, aber die Gesundheit geht vor.




Nachtrag vom 14. September:

Heute durfte ich die Klinik nach einer Woche verlassen und bin wieder zuhause!



Damit beende ich diesen Blog.

Samstag, 5. September 2015

Der „Weg“ ist nicht zu Ende – jetzt geht es weiter auf dem Camino del Norte!



Vor zwei Jahren habe ich an dieser Stelle geschrieben: „Auch wenn der "Weg" nun für mich zu Ende ist,.“. Nun, das hat zwar für das Jahr 2013 gestimmt, aber in diesem Jahr möchte ich das beenden, was ich einmal begonnen habe und was mir seinerzeit aus gesundheitlichen Gründen nicht gelungen ist.

Nachdem ich nach meiner Operation im vergangenen Jahr nun wieder weitgehend ohne Behinderung und Schmerzen gehen kann, möchte ich die verbliebenen rund 425 Kilometer von Ribadesella nach Santiago zu Fuß pilgern. Es war schon immer mein Wunsch das „Pilgerleben“ in seiner ursprünglichen Form, also per Pedes, kennen zu lernen. Fahrradfahren ist – genau wie das gehen – eine Möglichkeit voranzukommen. Allerdings geht es schneller und dadurch auch sehr viel „oberflächlicher“. Man hat nicht so viel Zeit, die Dinge links und rechts vom Weg ausführlich zu betrachten, da man seine Aufmerksamkeit verstärkt dem Weg und dem Verkehr widmen muss. Pilgerbekanntschaften bleiben kurz und ohne Bindungen. Kaum, dass man abends in der Herberge jemanden kennen gelernt hat, ist man am nächsten Tag schon wieder sehr viel weiter. Dieselben Gesichter sieht man so gut wie nie mehr.

Ich möchte vielmehr gemeinsam mit mir bis dahin unbekannten Menschen die Kilometer hinter mich bringen, ich möchte mich austauschen können, mich abends gemütlich in der Herberge mit Menschen verschiedenster Nationen unterhalten, Gemeinschaftssinn und Gemeinschaft spüren, fremde Menschen und fremde Gedanken kennen lernen – und wenn es nötig ist oder ich den Wunsch danach verspüre, auch mal wieder alleine gehen.

meine Credential - ausgestellt durch die Deutsche Jakobusgesellschaft e.V.
Ursprünglich wollte mich mein Freund Rolf auf dieser Pilgerreise begleiten, worauf wir uns beide schon sehr gefreut haben. Doch leider musste er das Vorhaben aus gesundheitlichen Gründen aufgeben, so dass ich wieder alleine starte. Am 7. September werde ich mit dem Flugzeug von Hamburg über Madrid bis Santander fliegen. Nach einer Übernachtung in Santander soll es per „Feve“ (Schmalspurbahn) rund 120 Kilometer bis nach Ribadesella weitergehen, von wo aus ich nach einer weiteren Übernachtung starten werde. In dem kleinen Badeort Ribadesella habe ich vor zwei Jahren die Fahrradfahrt abgebrochen, und von hier aus möchte ich dementsprechend auch meinen Weg fortsetzen. 

Ich freue mich auf den Camino del Norte und bin gespannt auf das, was auf mich zukommen wird.

Ich werde mich bemühen, hier täglich einen Bericht über meine Erlebnisse zu hinterlassen – versprechen, dass mir das gelingt, kann ich es leider nicht.


Buen Camino!


Dienstag, 30. Juli 2013

Noch einmal: Erstens kommt es anders....zweitens als man denkt

Auch wenn der "Weg" nun für mich zu Ende ist, so gilt es noch kurz über die letzten Tage zu berichten:

Freitag, 26. Juli 2013

Die Nacht habe ich schlecht geschlafen, die Isomatte ist so weich, dass ich sie fast nicht spüre - dafür aber den harten Boden um so mehr. Nach dem Aufstehen morgens untersuche ich sie und stelle fest, dass sie ein Loch hat und demnach kaum noch als Isomatte fungieren kann. Ein Versuch, sie mit Fahrradflickzeug zu reparieren, scheitert kläglich. Also weg damit in den Müll. Christl ruft mich gegen 9:00 Uhr an und erzählt mir, dass sie schon bei Münster sei. Wenn das so weiter geht, wäre es zu schön, um wahr zu sein. Ich rechne eigentlich damit, dass sie am Sonntag gegen Mittag in Ribadesella ankommen wird.

Es ist bewölkt und nieselt ab und zu ganz leicht. Ich habe nichts zu tun, zum Radeln habe ich keine Lust, also mache ich mich zunächst auf den etwa zwei Kilometer langen Weg zum Strand, wo ich die wunderschöne Bucht bewundern kann und auch ins Wasser gehen könnte, wenn ich wollte - aber ich will nicht! Es ist mir einfach zu kalt! Ich promeniere auf der rund einen Kilometer langen
Ribadesella

Ribadesella

Ribadesella

Ribadesella - Fluss Sella
Promenade ins Ortszentrum, muss dazu auch noch den Fluss Sella auf einer rund 200 m langen Brücke überqueren. In der Ortschaft suche ich einen Laden, in dem ich mir einen Stift und einen Block kaufe - ich muss mir notieren, wie Christl am besten den Campingplatz finden kann. Dann fällt mir ein, dass ich einen Ersatz für die Isomatte brauche und versuche der Verkäuferin klar zu machen, dass ich eine Luftmatratze benötige.  Beim ersten Versuch bringt sie mir eine Luftpumpe. Ich finde unsere sprachliche Annäherung schon mal nicht schlecht! Nach zwei weiteren Anläufen bringt sie mir schließlich das erwartete Stück, das ich für 14 Euro erstehe - die Luftpumpe hätte ich eigentlich auch noch gebraucht, wusste das aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Ich besichtige das Örtchen und durchstreife die kleinen Gässchen. Dazu genehmige ich mir noch zwei Kaffee. Um 11:00 Uhr kann man die Kirche besichtigen, deren Inneres aufgrund der pompösen Deckenmalereien auf mich richtig bedrohlich wirkt - so etwas brauche ich wirklich nicht und verlasse fast fluchtartig dieses Gotteshaus.

Dann geht es auf dem selben Weg zurück zum Campingplatz "Los Sauces", wo ich nachmittags eine ausgedehnte Siesta mache. Die ersten "Wochenendspanier" beginnen, den Platz zu bevölkern, und sie machen auch entsprechenden Lärm -  dabei ist ihnen die Siesta doch angeblich heilig (aber wahrscheinlich nur, wenn sie selbst Siesta halten!). Abends nach 20:00 Uhr ist die Küche wieder geöffnet und ich genehmige ich mir das "Menue del Dia" (primero plato: Paella mit Meeresfrüchten, secundo plato: nochmal Lammhaxe mit viel Ajoli, eine Flasche Rotwein, Brot) für 10 Euro.

Das Aufblasen der Luftmatratze  kostet viel Zeit und noch mehr Atem - sie ist wohl dafür vorgesehen, maschinell aufgeblasen zu werden. Christl ruft mich an, erzählt mir, dass sie nach zwei Riesenstaus um Antwerpen und um Paris total fertig sei und nun in einem Hotel übernachtet. Es beruhigt mich zutiefst, dass sie nun doch noch eine Unterkunft gefunden hat.

Samstag, 27. Juli 2013

Morgens nieselt es schon wieder. Das Zelt ist von außen total nass. Christl teilt mir telefonisch mit, dass sie seit halb sechs unterwegs ist und sich durch Verkehr und Unwetter quält. Sie tut mir richtig leid. Ich studiere im Internet mögliche Wege für die Heimfahrt und hoffe, dass Christl es schafft, eventuell noch heute hier anzukommen. Den Tag verbringe ich mit Faulenzen und "Vorschlafen" für die über 2000 Kilometer lange Autofahrt. Heute kommen noch mehr fröhliche Spanier, um hier ihr Wochenende zu verbringen.  Merkwürdigerweise wollen nicht nur Wohnmobilfahrer immer "kuscheln", sondern auch Leute mit Zelt. Links von meinem Zelt haben sich mehrere Spanier in 3 Meter Entfernung breit gemacht, und rechts von mir lässt eine andere Gruppe kaum mehr Platz. Dafür sind dann in die jeweils andere Richtung mehr als 50 m frei.

Nachmittags hat Christl Bordeaux - wieder im Stau - passiert. Vielleicht schafft sie es heute noch. Sie will gegen 19:00 Uhr wieder anrufen. Ich habe Zeit, nachmittags in Ruhe mein Toxy soweit wie möglich zu zerlegen, damit es in unseren kleinen Ford B-Max hineinpasst. Sitz, Lenker, Vorderrad und das Tretlagerrohr werden abgebaut und alle öligen und schmutzigen Teile so gut wie möglich abgedeckt und zugebunden.

Ich kaufe im "Super-Mercado" des Campingplatzes fürs Abendbrot Wurst, Brot und Wasser ein und mache auf dem Boden vor dem Zelt sitzend eine etwas rustikale Brotzeit. Um 20:00 Uhr hat Christl immer noch nicht angerufen - sie ist doch sonst immer so verlässlich. Hoffentlich ist ihr nichts passiert - nach solch einer langen Autofahrt! Ich werde langsam unruhig und gehe zum Tor des Campingplatzes. Um 23:00 Uhr wird hier abgeschlossen. Kurz nach zehn Uhr ruft Christl endlich an: Sie steht in Ribadesella und weiß nicht weiter. Ich erkläre ihr kurz den Weg und warte noch fünf Minuten, dann ist sie endlich da. Wir freuen uns, uns endlich wiederzusehen. Ich erledige an der Rezeption die Formalitäten und bezahle gleich, weil wir morgen schon um 8:00 Uhr losfahren wollen. Auf der Terrasse der Bar trinken wir noch ein Bier und Christl bekommt noch ein bisschen Brotzeit. Da wir um diese Zeit kaum noch ein Hotelzimmer bekommen werden, darf Christl im Zelt schlafen, das wegen der unhandlichen Luftmatratze nur für eine Person geeignet ist. Ich mache mich im Auto breit und habe als Decke lediglich meinen Jugendherbergsschlafsack.

Sonntag, 28. Juli 2013

Ich habe in der Nacht nur gefroren, und mir kommt es vor, als wenn ich kein Auge zugemacht hätte. Christl geht es genau so. Wir packen möglichst leise alles zusammen, verstauen das Toxy auf der Ladefläche (es passt genau hinein) und müssen um 7:30 Uhr feststellen, dass der Campingplatz noch abgeschlossen ist. Also warten wir bis 8:00 Uhr und können dann endlich losfahren. Ziemlich bald machen wir an einer Tankstelle Halt, wo das Auto und wir Nahrung zu uns nehmen. Der Ford wird mit Benzin abgefüllt,  wir bekommen als ersten Gang Kaffee con Leché und Croissant. Als ich um Marmelade bitte, gibt es diese umsonst dazu. Als wir fertig sind, kommen leckere Pintchos - die wollen wir auch gerne haben und ordern noch einmal Kaffee.

Bei schönem Wetter sind wir begeistert von der herrlichen, saftig grünen Berglandschaft Nordspaniens, die bis ans Meer hin reicht. Ich erkenne viele Stellen wieder, wo ich mit dem Fahrrad gefahren bin. Ich bewundere mich ein bisschen selbst und bin stolz auf mich, dass ich das alles geschafft habe. Bald haben wir Spanien verlassen und brausen durch das nun relativ flache Frankreich - was für eine Gegend fürs Radfahren! Die Autobahn ist ganz ordentlich. Es nervt nur, dass man immer mal wieder, um 1,80 Euro Maut zu zahlen, angehalten wird und wartend in der Schlange stehen muss. Und wenn dann noch der Automat bzw. die Schranke kaputt sind, dann dauert es erst recht!

Nördlich von Orléans und südlich von Paris biegen wir auf die kaum befahrene Autobahn A19 gen Osten ab und folgen dieser (es ist 20:00 Uhr)  bis zum Städtchen Montargis, in der Hoffnung, dort ein Hotel zu finden. Wir machen uns schon auf eine längere Suche gefasst und sind überrascht, direkt an der Autobahnausfahrt ein "Best-Western-Hotel" zu sehen. Wir fahren dort hin und beschließen, egal was es kostet, dort ein Zimmer zu nehmen. Wir bekommen ein Doppelzimmer zum "Sonntags-Vorzugspreis" von 90 Euro (ohne Frühstück). Uns wird aber versichert, dass das Frühstück sehr vielseitig und komfortabel ist, so dass wir auch dieses buchen. Wir gehen zum Abendessen auf die Terrasse und trinken dazu das vom Kellner angepriesene Bier der Region. Nach dem ersten Gang flüchten wir wegen der schwarzen Gewitterfront ins Restaurant. Es hat wirklich gut geschmeckt. Übrigens: Am nächsten Morgen stellen wir auf der Gesamt-Rechnung fest, dass das Bier 6,50 Euro pro Flasche gekostet hat. Für ein Bier der Region ist das schon ganz schön dreist - tröstlich: es hat immerhin geschmeckt!

Montag, 29. Juli 2013

Frühstück gibt es bereits ab 6:30 Uhr. Es ist reichhaltig und sehr fantasievoll - gar nicht französisch. Wir werden satt und starten zufrieden unsere weitere Heimfahrt. Wir fahren nun Richtung Metz und dann weiter bis Saarbrücken. Prima, dass das leidige "Maut zahlen" ein Ende hat - dafür sind die Autobahnen in Deutschland dreimal so voll wie in Frankreich. Um etwa 13:00 Uhr starten wir in Saarbrücken, nachdem wir dort an der Autobahnraststätte etwas gegessen haben.

Ohne Stau kommen wir schließlich um 20:00 Uhr in Kiel an. Zum Abschluss der Rettungsaktion fahren wir noch zu unserem Italiener, wo Christl einen Salat und ich eine Pizza essen. Dann geht es endgültig nach Hause.

Wir sind froh, gesund wieder daheim angekommen zu sein, und ich bin dankbar, dass meine Frau das alles auf sich genommen hat, um mich abzuholen!


Unter anderem habe ich folgenden Kommentar zu meinem Blog erhalten:

"Wir bereuen immer nur die Dinge, die wir nicht getan haben!" - oder zumindest versucht. Ich bewundere Dich sehr für den Schwung mit dem Du losgezogen bist. Und ich finde es toll, überhaupt den Weg zu wagen. Und letztlich zählt einfach jeder Tag, den Du auf dem Camino verbracht hast. Angekommen bist Du auch - vielleicht sogar ein Stück weiter bei Dir.

Vielen Dank Wiebke, dieser Kommentar spiegelt genau das wieder, was ich empfinde!

Statistik:

Hier ein Überblick der von mir gefahrenen Strecke (insgesamt rund 310 km):

gefahrene Strecke (rot) / Karte: Google Maps

mitgeplottete Profile (etwas ungenau)
insgesamt etwa 5.500 m auf und 5.500 m abwärts



Donnerstag, 25. Juli 2013

9. Tag - 25. Juli 2013: Ribadesella - ? / Ende meines Camino del Norte


Tagesetappe: 10 km
Gesamtstrecke: 307 km
Wetter: bewölkt

Leider muss ich heute die Erfahrung machen, dass nicht all das, was man sich vorstellt oder was man gerne machen möchte, in Erfüllung gehen kann. Ich bin heute an meine körperliche Leistungsgrenze gestoßen bzw. habe gemerkt, dass ich das, was ich noch vor zwei Jahren schaffen konnte, nicht mehr bewältige:

Nach dem Zusammenpacken heute Morgen geht es gleich mehrere Kilometer bergan - keine starke Steigung, aber eine stetige. Ich komme sowohl beim Schieben als auch beim Fahren gleich ins Schwitzen, mein Puls rast, und der Kreislauf macht irgendwie schlapp. Ich muss immer wieder Pausen machen, wenn ich merke, dass es kritisch wird. Das, woran ich heute scheitere, hat mir in den letzten Tagen gar nichts ausgemacht. Na, dann kommt eine Abfahrt, bei der ich mich wieder erholen kann. Leider hat das Vergnügen bald ein Ende, als es wieder bergauf geht. Ich mache erneut Pause. Ich setzte mich auf die Leitplanke und verschnaufe. Nach zehn Minuten Ruhe geht immer noch nichts. Wenn ich aufstehe, wird mir schwindelig. Ich schwitze und bin total durchnässt. Also noch einmal 10 Minuten warten.

Im Bewusstsein, dass heute noch viele derartige Wegstücke auf mich warten und es in den nächsten Tagen noch schlimmer wird, komme ich nach langem Nachdenken zu dem Entschluss, aufzugeben - ich will mir meine Gesundheit nicht ruinieren oder gar in der Waagerechten nach Hause kommen. Ich mache kehrt, schiebe das Toxy - ganz langsam und mit vielen Pausen - erneut den Berg hoch, den ich gerade herabgeradelt bin und fahre zurück auf den Campingplatz in Ribadesella, auf dem ich die letzte Nacht zugebracht habe. Ich baue mein Zelt auf und merke dabei immer wieder das Problem mit dem Kreislauf/Schwindel. Ich bin froh, dass ich mich auf die Isomatte legen kann und nicht radeln muss.

Mit Christl vereinbare ich, dass ich im Internet nach Flügen oder andere Alternativen suche, um wieder nach Hause zu kommen. Sie bietet mir an, mich abzuholen. Alles, was ich im Internet herausfinde, ist, dass ich von hier aus mein Fahrrad nur schwer nach Hause bringen kann oder nur zu unverhältnismäßig hohen Kosten. Eine Oneway-Miete eines Mietwagens bis nach Kiel würde 1.800
Euro plus unbezifferbaren Nebenpauschalen kosten. Am Nachmittag beschließen wir telefonisch, dass Christl morgen losfahren wird, um mich hier abzuholen. Ich weiß es wohl zu schätzen, dass sie diese Strapazen auf sich nimmt, hierher zu fahren - es sind rund 2.100 Kilometer. Ich bin glücklich, solch eine tolle Frau zu haben, die wegen mir solch eine lange und beschwerliche Strecke fährt!

Das war es nun mit meinem Camino del Norte. Mein Traum ist weder zu Fuß noch per Fahrrad in Erfüllung gegangen. Der plötzliche Umstieg der Planung von der Wanderung auf das Fahrrad war doch wohl etwas zu schnell erfolgt. Ich habe bei der Vorbereitung zu wenig auf das Detail geachtet und nicht gemerkt, das selbst die küstennahen Nationalstraßen hier in Nordspanien "Gebirgsstraßen" sind. Und vielleicht war ich auch ein wenig zu optimistisch, was meine Leistungsfähigkeit angeht. Aber eines ist sicher: Ich werde mich deshalb nicht voller Scham in die Ecke verkriechen - ich weiß, dass ich das geleistet habe, was ich leisten konnte.





Mittwoch, 24. Juli 2013

8. Tag - 24. Juli 2013: Colombres - Llanes - Ribadesella


Tagesetappe: 53 km
Gesamtstrecke: 297 km
Wetter: leicht bewölkt, nachmittags fast nur Sonnenschein, warm, aber Temperatur ist dennoch angenehm zum Rad fahren, kaum Wind - meist von hinten

Die Nacht haben Manfred und ich allein in einem 8-Bett-Schlafraum verbracht. Er hat nicht geschnarcht, und ich habe gut geschlafen. Ich bin froh, dass ich den Jugendherbergsschlafsack dabei habe, die Matrazen und die aufgezogene Bettwäsche sehen doch etwas bedenklich aus.

Heute kann ich ganz gemütlich zusammenpacken, da das Frühstück erst für 8:00 Uhr vorgesehen ist. Ich schmiere in der Zwischenzeit die Kette des Toxy und ziehe die eine verbliebene Schraube des Fahrradständers nach. Das Frühstück ist zwar einfach, aber es ist nett hergerichtet: Weißbrot, Butter, Marmelade (2 Sorten!), Kuchen, Kekse und Kaffee con leché (soviel man möchte).

Nachdem wir beide satt sind und wir uns noch ein bisschen erzählt haben, trennen sich unsere Wege. Manfred will evtl. ein paar Stationen mit der Eisenbahn fahren, da ihm die 22 Kilometer bis zur nächsten Herberge in Llanes zuviel sind. Ich bin glücklich, dass es einmal nicht nieselt und ich eine schöne Sicht aufs Meer und ins Gebirge habe. Das Wetter erscheint mir heute als wirklich grandios, auch wenn ich befürchte, dass es heute heiß werden könnte.

wunderschöne Landschaft
Horreio (Getreidespeicher)
Die ersten Kilometer sind ohne viel Autoverkehr, und ich habe die Nationalstraße für mich fast alleine. Das ändert sich nach rund 10 Kilometern, weil die Autobahn dort noch im Bau ist und bis kurz vor Llanes der gesamte Verkehr auf die Nationalstraße wechselt. Allerdings gibt es einen meist 1,50 m breiten Seitenstreifen, so dass ich mich ganz sicher fühle. Außerdem denke ich, dass mein Schleswig-Holstein-Wimpel und meine gelbe Warnweste genügend Aufmerksamkeit erzeugen.
Außerdem habe ich den Eindruck, als ob die spanischen Autofahren wesentlich rücksichtsvoller sind, als die Fahrer in Deutschland. Etwa um 10:30 Uhr bin ich
Hortensienpracht


der Atlantik vermag zu begeistern

 schon in Llanes, aber heute sind mir 22 Kilometer einfach zu wenig. Ich nehme die nächste Etappe in Angriff und versuche zumindest einen kleinen Ausgleich zu der vertorften Etappe von gestern zu bringen. Bis Ribadesella sind es noch 28 Kilometer, die auf der herabgestuften ehemaligen Nationalstraße verlaufen. Ich habe tolle Ausblicke aufs Meer mit der Steilküste und den Playas sowie auf der anderen Seite auf das Gebirge - sehr eindrucksvoll. Unterwegs halte ich endlich mal an einer Tankstelle, um meine Reifen auf ein vernünftiges Maß aufzupumpen (5 bar). Ein netter Tankwart hilft mir dabei, und ich bin glücklich, endlich den richtigen Luftdruck in den Reifen zu haben: Es fährt sich gleich viel leichter! Und die kalte Cola, die ich an der Tankstelle erstehe und auf "Ex" austrinke, beflügelt meinen Weg.
Ribadesella

Ribadesella
Ribadesella - Sicht über die Bucht
Um 12:30 Uhr komme ich bereits in Ribadesella an. Der Schnitt in Bewegung ist heute 15,25 km/h, meine heutige Höchstgeschwindigkeit 51 km/h. In diesem Ort waren Christl und ich schon einmal vor ein paar Jahren und haben die wirklich prächtige Strandpromenade bewundert. Ich verzichte aber, mir eine Unterkunft in der Jugendherberge zu suchen, sondern forsche nach einem Campingplatz - das Zelt ist immer noch nass und muss dringend wieder trocken werden. Der Platz ist wenig besucht, aber sehr ordentlich. Nach der ausgiebigen Dusche hänge ich meine vorgestern gewaschene, aber immer noch nicht trockene Wäsche mangels Wäscheleine auf die Äste des Baumes, unter dem mein Zelt steht: ein Wäschebaum! Die Aussicht auf den heutigen Nachmittag begeistert mich: Ich werde so richtig faul sein, die Sonne und die Ruhe genießen. Abends werde ich mir ein Menü del Dia für 10 Euro gönnen (Vorspeise: Asturische Bohnensuppe, Hauptgericht: gebratener Fisch, Brot, Nachspeise: Käse - dazu Wein und Wasser.) Darauf freue ich mich.









Dienstag, 23. Juli 2013

7. Tag - 23. Juli 2013: San Vicente de la Barquera - Unquera - Colombres


Tagesetappe: 58 km
Gesamtstrecke: 244 km
Wetter: morgens Nieselregen, dann bewölkt, Temperatur angenehm zum Rad fahren, ein wenig Wind

Heuet ist ein komischer Tag: Morgens stelle ich das ganze Unternehmen in Frage, dann fahre ich mit einer wahren Begeisterung Kilometer um Kilometer, die wiederum bald einer ordentlichen Ernüchterung weicht. Nach 58 Kilometern habe ich dann einfach keine Lust mehr - hierzu ein kleines Rätsel: ich fahre 58 Kilometer, der vor mir liegende Jakobsweg wird dadurch aber nur 18 Kilometer kürzer. Des Rätsels Lösung: Ich habe mich verfahren und bin 40 Kilometer zusätzlich gefahren. Doch nun alles der Reihe nach:

Morgens werde ich erst gegen 7:30 Uhr wach, nachdem ich wieder eine nicht so besondere Nacht hatte. Das Zelt ist von außen klitschnass. was soll's - ich packe bei leichtem Nieselregen zusammen und gehe in die Bar des Campingplatzes zum Frühstück. Ich bestelle einen Kaffee und ein Bocadillo wie gestern. Heute wird es jedoch frisch gemacht und nicht mit der Mikrowelle aufgewärmt. Es ist riesig: ein halbes Weißbrot. Das schaffe ich nicht alles und lasse es mir von dem netten jungen Mann an der Bar einpacken.

schöne Landschaft - leider wolkenverhangen
Bei Nieselregen durchquere ich San Vicente de la Barquera und fahre relativ gemütlich (ein paar Schiebestrecken sind auch dabei) bis nach Unquera. Bis hierhin habe ich aber auch den totalen Durchhänger - "wie komme ich zurück, wenn es tatsächlich nicht mehr geht?" "Was ist, wenn das Fahrrad nicht mehr mitmachen sollte?" und andere unangenehme Gedanken bedrängen mich. In Unquera folge ich gedankenverloren weiter der Nationalstraße und freue mich, dass alles so gut läuft. Ich verlasse Cantabrien und gelange nach Asturien. Ich

Grenze zu Asturien


renovierte Kapelle

Landschaft pur - leider nur die falsche!
fahre durch wildromantische Schluchten, über mir kreisen Raubvögel (welche Art, vermag ich nicht auszumachen). Und so strampele ich fröhlich immer weiter bergauf. Die Steigung ist stetig, aber ich kann sie mit 10 bis 15 km/h auf Dauer bewältigen. Nachdem ich 20 Kilometer seit Unquera zurückgelegt habe und ich merkwürdigerweise wieder die Grenze zu Cantabrien überquert habe, kommt mir die Sache doch ein wenig komisch vor: Kein Wegweiser nach Llanes, wohin die heutige Etappe gehen soll - ausgeschildert ist vielmehr Potes. Nun krame ich doch einmal vorsichtshalber die wasserdicht verpackte Landkarte hervor und bekomme einen Schrecken: Seit Unquera fahre ich auf der falschen Nationalstraße, die in die Picos de Europa führt. Deshalb auch die herrliche Landschaft. Ich entschließe mich schweren Herzens, wieder zurück zu fahren und somit einen Umweg von 40 km in Kauf genommen zu haben.

Gegen 14:00 Uhr bin ich wieder in Unquera und suche den richtigen Weg zur Nationalstraße N634. Das gelingt erst im zweiten Anlauf, weil wegen der neuen Autobahn alles neu und anders ist. Ich schiebe das Toxy einen Berg bis nach Colembres hinauf und mache bei erneutem Nieselregen Brotzeitpause (zweite Hälfte des Bocadillo von heute Morgen). An mir kommen zwei Pilger vorbei. Einer ist Holländer, der andere ein Deutscher mit einem Pilgerwagen (Fahrradanhänger). Wir unterhalten uns ein wenig. Der Deutsche ist aus Schleswig bis hierher gegangen. Ich kaue weiter auf meinem Bocadillo. Dann schiebe ich die letzten paar Hundert Meter weiter bis
prächtige Villa


die Pilgerherberge von Colombres

Manfred in der Pilgerunterkunft

Kirche in Colombr

Wegweiser
Colombres, wo ich wieder auf den Deutschen - er heißt Manfred - treffe.

Ich habe für heute keine Lust, weiterzufahren - alles ist feucht. Gemeinsam suchen wir den Weg zur Pilgerherberge die uns mit ihrem blauen Außenanstrich begrüßt. Wir beziehen unser Zimmer. Da ruft es von oben: "Hallo Hans". Ich schaue nach oben und sehe Ajoscha, so heißt der Deutsche Pilger, der in Bilbao studiert. Seine spanische Freundin ist seit heute wieder zur Arbeit in Bilbao. Wir haben viel zu erzählen, und auch Manfred erzählt ganz viel von seinem Pilgerweg. Er ist seit Mitte Mai unterwegs und geht eigentlich keinen der vorgegebenen Wege. In Frankreich hat er etliche Pilgerwege verfolgt und auch hier in Spanien läuft er eher, wie ihm der Sinn steht, als wie es die Pilgerführer vorschlagen.

Ich sage mir auch, dass die 40 Kilometer Umweg, für mich der Jakobsweg sind und ich es nicht bereue dort lang gefahren zu sein. Die landschaftlichen Eindrücke entschädigen für alles.



Montag, 22. Juli 2013

6. Tag - 22. Juli 2013: Santillana del Mar - Comillas - San Vicente de la Barquera


Tagesetappe: 28 km
Gesamtstrecke: 186 km
Wetter: bewölkt und etwas nebelig - dennoch ziemlich warm, relativ windstill, abends Nieselregen

Heute Morgen habe ich nach einer nicht so besonders erholsamen Nacht (Schmerzen des Hüftgelenkes) um 7:00 Uhr den inneren Wecker wissentlich überhört und noch eine Halbe Stunde vor mich hingedöst. Der gestrige Nieselregen hat aufgehört, aber das Zelt ist von außen ziemlich nass. Ich suche mein Mikrofaserhandtuch (light Weight), finde es aber nicht - muss ich wohl gestern in der Dusche vergessen haben - und schreibe es ab. Nach der morgentlichen Toilette packe ich alles zusammen - auch das nasse Zelt - und gehe anschließend in die Campingplatzbar, wo ich mir einen Kaffee und ein Bocadillo de Queso i Chamon (Käse-Schinken-Sandwich). Als ich wieder beim Fahrrad bin, sehe ich das Handtuch in einem Busch, ich habe es dort gestern zum Trocknen aufgehängt.

Um neun Uhr bin ich auf der Piste - ich fange gleich wieder mit Schieben an. Das Wetter ist ein wenig diesig, die Sonne kommt nicht durch.
Klosteranlage von Cobreces

Klosteranlage von Cobreces
In Cobreces sehe ich - direkt neben der Klosteranlage - eine Bar, in der ich eine Coca-Cola-Pause mache. Plötzlich höre ich ein fröhliches "Moin Moin". In hundert Meter Entfernung kreuzen die beiden netten Pilger von gestern (der Deutsche aus Bilbao mit seiner spanischen Freundin) die Straße - allerdings in der falschen Richtung. Sie lassen sich aber durch mein Zurufen nicht aufhalten. Nachdem ich sogar zwei Cola getrunken habe, fahre ich weiter und erreiche in Comillas das Meer.
Comillas - der Atlantik hat mich wieder
Comillas ist - wie viele Orte hier - eine Touristenhochburg, die aber hauptsächlich nur von Spaniern genutzt wird. Die Deutschen Pauschalurlauber haben diese Gegend wohl noch nicht für sich entdeckt. Das schadet aber auch nichts. Es sind nur noch ein paar Kilometer bis San Vicente de la Barquera. Meine maximale Geschwindigkeit bergab ist 57 km/h - trotz Bremsens! Meine durchschnittliche Geschwindigkeit heute ist 13 km/h.

Brücke nach San Vicente

Blick auf San Vicente

die Picos de Europa
in den Wolken
Am Beginn der großen und alten Brücke von San Vicente de la Barquera mache ich Pause und telefoniere mit Christl. Sie meint, ich solle doch ruhig hier schon Station machen, diesen Ort hätten wir doch schon öfters besucht und zu unserem liebsten Urlaubsort an der Nordküste auserkoren. Ich finde die Idee gut, obwohl ich nur knapp 30 Kilometer gefahren bin, und checke mich auf dem Campingplatz El Rosal ein. Nach dem Zeltaufbau mache ich Waschtag an mir selbst und an der Kleidung, schlafe ein Stündchen und mache dann einen Spaziergang zur Playa, einem großartigen und weitläufigen Strand.
Playa von San Vicente
Da es mir allerdings zu kalt ist, verzichte ich darauf, in den Atlantik zu springen. Ich mache mich lieber auf den rund zwei Kilometer langen Weg ins
hübsche Gässchen

Seemannschule mit Pilgerherberge (unten rechts)


Festungsanlage

eine der ältesten Brücke Spaniens

hier kann man bummeln

ich stehe auf dem Pilgerwegweiser
Städtchen, bummele dort ein wenig, gehe zur Kirche Santa Maria de los Angelos und suche letztendlich noch die Pilgerherberge auf, um mir dort einen Sello (Stempel) geben zu lassen. Der Herbergsvater fragt mich, woher ich komme. Irgend so eine naseweise andere Pilgerin meint dann auf Spanisch: Allemania, das hört man am Akzent. Das fand ich nicht so besonders freundlich, sie hätte ja auch sagen können, was für ein perfektes Spanisch ich spreche ;-).

Nach einer weiteren Runde durch den alten Teil des Städtchens fängt es wieder an zu Nieseln, und ich gehe zum Campingplatz zurück. Am Ende der Brücke treffe ich meine beiden jungen Pilgerfreunde: Was ist das für eine Freude, als wir uns wiedersehen. Sie erklären mir, dass sie in Cóbreces nicht falsch gelaufen sind, sondern einen Verwandten der Spanierin besucht und dort ein gutes Frühstück bekommen haben. Ich weise den beiden noch den Weg zur Herberge - vielleicht treffen wir uns wieder!

Am Campingplatz rette ich erst einmal meine zum Trocknen aufgehängte Wäsche. Sie ist noch immer etwas feucht, aber hat unter den Bäumen keine neue Nässe abbekommen. Ich drapiere die Wäsche irgendwie im Zelt und hoffe, dass sie bis morgen vielleicht doch trocknet. Dann geht es ab in das Campingplatzrestaurant. Hier gibt es - man höre und staune - bereits um 19:00 Uhr etwas zu essen. Ich bestelle Morcilla (Blutwurst mit Reis) als Vorspeise und eine Plata Combinada mit Pommes, gebratenen Fisch und Salat. Es schmeckt hervorragend. Nebenbei schreibe ich den heutigen Blog. In den Gaststätten und auf den Campingplätzen gibt es fast überall freies WiFi (WLAN).

Heute bin ich 28 Kilometer gefahren. Der offizielle Pilgerweg ist fast 35 Kilometer lang. Morgen möchte ich mindesten bis Llanes fahren, werde aber wieder auf der Nationalstraße fahren müssen, da die längeren Pilgerwege für mich nicht befahrbar sind.






Sonntag, 21. Juli 2013

5. Tag - 21. Juli 2013: Santander - Requeida - Santillana del Mar

Tagesetappe: 31 km
Gesamtstrecke: 158 km
Wetter: bewölkt und vormittags etwas nebelig - dennoch ziemlich warm, relativ windstill

Ein Rätsel zum Auftakt es heutigen Tages:
Es knistert, knastert, quietscht, raschelt, Licht geht aus, ein Pilger schnarcht, jemand wispert, Licht geht an, ein Handy "klingelt", es stöhnt, die Tür geht auf, zwei Pilger schnarchen, das Licht geht aus, jemand spricht im Schlaf, viele Pilger schnarchen, es müffelt, es quietscht, um 3:oo Uhr morgens läutet ein Handy-Wecker, es knistert, knastert, quietscht, raschelt, Licht geht an, Licht geht aus.
Was ist das? Ein mit 38 Betten voll belegter Schlafsaal in einer Pilgerherberge, hier die von Santander. Ergebnis dieser Nacht ist für mich, dass ich Pilgerherbergen soweit es geht, meiden werde und mir  in den nächsten Tagen lieber eine Übernachtungsmöglichkeit auf einem Campingplatz oder in einer Pension suchen werde.

Ich habe jedenfalls die ganz Nacht sehr schlecht geschlafen. Der Jugendherbergsschlafsack war schon zuviel, so dass ich mich lieber darauf legte. Die Geräusche waren für mich einfach kaum zu ertragen, und ich lag eine ganze Weile wach.

Um 6:30 Uhr stehe ich dann schließlich auf, packe alles zusammen und raschele dabei natürlich nun auch selbst ein wenig - aber da sind die meisten anderen Mitschläfer ohnehin schon wach oder sogar schon fertig zum Abmarsch. Danach nehme ich das im Preis enthaltene Frühstück (getoastete Weißbrotscheiben mit Butter und Marmelade und einen großen Kaffee con leché) zu mir.

Anschließend mache ich mich auf ins Verkehrsgetümmel von Santander, das aber gar nicht so groß ist, weil heute Sonntag ist. Allerdings habe ich nun wieder erhebliche Probleme aus der Stadt herauszukommen. Der Pilgerweg ist hier nur sehr unvollkommen ausgezeichnet und auch die Wanderführer geben nicht viel her. Ein Spanier, den ich nach dem Weg frage, holt sein Handy heraus, sucht längere Zeit und erklärt mir, dass ich richtig bin. Nach einiger Zeit frage ich bei einem anderen Passanten noch einmal nach - ich habe die richtige Straße erwischt.

Die Außenbezirke von Santander sind so schön oder eher so wenig schön, wie die Außenbezirke so manch einer anderen Stadt: Industrie, Handwerk, Industriebrache, Schrottplätze, Einkaufszentren. Nach rund 10 Kilometern wird es wieder ländlich und etwas schöner. Leider gibt die Gegend nicht so viel her, weil es heute ziemlich bewölkt, teilweise auch nebelig und diesig ist. Die Sonne lässt sich kaum blicken. Blicken lassen sich aber wieder viele Steigungen, die sich wesentlich mehr ins Gedächtnis einprägen als die Abfahrten - bergauf dauert es leider auch erheblich länger als bergab, obwohl es natürlich berauschend ist, einen oder zwei Kilometer ohne zu treten in kürzester Zeit zu bewältigen. Ich darf mich auch nicht beschweren, trotz der Anstiege habe ich einen Schnitt während der Fahrt von fast 11 km/h.

Unterwegs überhole ich ein offensichtlich schwerverliebtes Pilgerpärchen, mit dem ich mich längere Zeit unterhalte. Er ist aus Deutschland, wohnt aber schon länger in Spanien, sie ist Spanierin. Vielleicht sehen wir uns heute noch in Santillana del Mar. Kurz vor Santillana finde ich eine Bank, die ich dafür aussuche, mir eine Rast zu gönnen. Ich bin klitschnass verschwitzt - habe auch schon zwei Liter Wasser getrunken. Ich döse auf der Bank ab und zu ein, so dass aus dem kleinen Päuschen mehr als eine Stunde wird. Ich denke, dass die Anstrengungen des ewigen bergaufs auch ihren Tribut fordern. Da heute Sonntag ist, denke ich, dass 31 Kilometer für einen Feiertag genug sind - außerdem ist nicht das Bewältigen der Strecke die Hauptsache, sondern auch ein bisschen, das Drumherum zu genießen. In Santillana fahre ich deshalb sofort zum Campingplatz.
Pilgerunterkunft auf dem
Campingplatz Santillana del Mar

auch eine Pilgerunterkunft - für mich
Hier gibt es für Pilger Unterkünfte in Containern für 10 Euro. Das mit den 10 Euro nehme ich dankend an, baue aber lieber mein eigenes Zelt auf, zumal es von vorgestern noch nass ist und hoffentlich bis morgen wieder trocken wird. Viel Spaß macht mir die Dusche, die ich so richtig ausgiebig nutze. Dann gehe ich in die Campingplatzbar und bestelle mir (mittags) ein Pilgermenü: Orangensaft, Maccaroni mit Tomatensauce, ein Eis - für 5 Euro! Das hat sogar mir geschmeckt

Ich sitze mit dem Netbook auf den Knien unter einem Elektroanschlusskasten und schreibe den Blog, während das Netbook, die Kamera und das Smartphone geladen werden. Hoffentlich zeigt mich niemand wegen Stromdiebstahls an ;-)

Am späten Nachmittag gehe ich die paar Schritte bergab, um Santillana del Mar zu besichtigen, das ungefähr 500 m vom Campingplatz entfernt liegt. Es ist eine wunderschöne mittelalterliche Stadt, die wirklich eine Besichtigung wert ist.
Santillana del Mar

Santillana del Mar

Santillana del Mar

Santillana del Mar
Waschplatz

Santillana del Mar
Basilka

Santillana del Mar

Santillana del Mar

Christl und ich waren vor etlichen Jahren schon einmal hier. Laut meinem Reiseführer wird Santillana die Stadt der drei Lügen genannt: Sie ist weder heilig (santa), noch eben (llana) noch liegt sie am Meer (mar). Allerdings boomt alles wohl auch nur durch den Tourismus: hunderte von Menschen zwängen sich durch die engen Gassen und Sträßchen. Ich schaue mir gegen drei Euro Eintritt die Kirche und den dazugehörigen Kreuzgang an. Die Kirche ist sehr schön, allerdings riecht sie muffig und verschimmelt, weil alles sehr feucht ist. Sie wirkt auf mich irgendwie bedrückend. Immerhin bekomme ich einen Stempel für den Pilgerausweis.

fröhliches Pilger-Abendessen

fröhliches Pilger-Abendessen

fröhliches Pilger-Abendessen
Zurück auf dem Campingplatz werde ich von dem Deutschen, den ich vormittags mit seiner Freundin getroffen habe, eingeladen, zusammen mit ihnen und einer ganzen Schaar anderer (hauptsächlich spanisch sprechender) Pilger gemeinsam zu Abend zu essen. Jeder steuert etwas zum Essen bei - ich zwei Flaschen Sidra. Es ist sehr gemütlich und fröhlich, leider habe ich die Namen der anderen ganz schnell wieder vergessen,

Es wird wohl nichts mit dem trockenen Zelt, da es abends ganz leicht nieselt.



Samstag, 20. Juli 2013

4. Tag - 20. Juli 2013: Laredo - Colindres - Argonos - Somo - Santander




Tagesetappe 43 km
Gesamtstrecke: 127 km
Wetter: Sonnig, geringe Bewölkung, dunstig, sehr warm, kaum Wind

Rückblick auf gestern Abend:
Spanier sind schon etwas Besonderes: Bis abends um 8:00 Uhr taucht kaum einer auf, dann geht es aber ab. Die Kneipen füllen sich ganz geschwind und in den Restaurants ist ab neun Uhr kaum noch ein Platz zu finden. Irgendwie ist die Atmosphäre viel familiärer als in Deutschland. Die Menschen sind irgendwie aufgeregter, schnattern und reden sehr gestenreich. Ich habe Glück, weil ich schon kurz nach acht Uhr in dem von mir nachmittags ausgeguckten Restaurant bin. Ich bestelle eine Plato Combinado: gebratenes Rindfleisch, Spiegelei, Pommes und Salat. Es schmeckt gut, und ich werde auch satt. Um 22:00 Uhr bin ich am Campingplatz Carlos V zurück. Dort ist "der Teufel los". Überall wird gefeiert, die Kinder spielen, es wird gekocht, gegrillt und getrunken - und man unterhält sich natürlich sehr laut. An Schlaf ist dabei nicht zu denken. Erst kurz nach Mitternacht kehrt Ruhe ein.

Heute früh bin ich schon kurz nach sieben auf den Beinen. Um acht Uhr kann ich bezahlen (8 Euro) und mache mich auf den Camino. Ich verzichte darauf, mit der Fähre nach Santona überzusetzen, sondern fahre die Bucht mit dem Fahrrad aus. Das sind zwar 8 Kilometer mehr, aber ich habe Zweifel, ob ich den schmalen Steg bewältigen kann, der vom Sandstrand zur Fähre führt (im Prinzip ein etwa 40cm breites Brett). Unterwegs frage ich einmal einen Spanier nach dem Weg. Er erklärt mit gestenreich, ich solle nicht den direkten steilen Weg über einen Berg nehmen, sondern einen kleinen Umweg in Kauf nehmen, dann hätte ich kaum Steigungen. Komisch ist schon, was man alles versteht, selbst wenn man die Sprache nicht spricht. Ich folge dem Rat und bin von der Strecke (zunächst) begeistert. Um 10:00 Uhr zeigt das Thermometer schon 25 Grd an, das kann ja im wahrsten Sinn des Wortes heiter werden. Am Himmel sind zwar ein paar kleine Wolken, und es ist ziemlich dunstig, so dass man nicht viel und nicht weit sehen kann, aber es ist heiß. Ich strampele auch kleinere langgezogene Steigungen bergan, die Kondition wird langsam wieder besser. Irgendwann beginnt es wieder derartig steil bergauf zu gehen, dass ich zunächst einmal absteige und mich nach etwa einem Kilometer in den Schatten setze - leider hilft mir heute kein lieber Mitpilger, von denen ich im Übrigen bisher kaum einen gesehen habe - ich bin doch etwas abseits von der Wanderroute, die aber wieder einmal mit meinem Radl nicht zu befahren ist. Unter einem kleinen, Schatten werfenden Baum trinke ich etwas, esse ein paar Muffins, um den Kohlehydrathaushalt wieder ins Lot zu bringen und mache dann bis Mittag ein kleines Nickerchen - direkt neben der Straße. Aber irgendwann muss es dann auch weiter gehen.

Nach einem weiteren Kilometer bergauf Schiebens kann ich mich endlich wieder aufs Toxy setzen und etliche Kilometer bergab sausen, meistens muss ich bremsen, um nicht zu schnell zu werden (heute habe ich einmal 52 km/h drauf gehabt). Ich überlege ernsthaft, ob ich in Somo, das ist ein Touristenort gegenüber von Santander, auf den Campingplatz oder ob ich in Santander in die Pilgerherberge gehen soll. Ich entschließe mich für die Pilgerherberge, damit die Pilgerfahrt trotz des Fahrrades so authentisch wie möglich ist.

Fähre nach Santander

Fähranleger in Somo
In Somo warte ich 25 Minuten auf die Fähre, die mich und das Toxy für 3,60 Euro über die Bucht nach Santander bringen soll. Irgendwie schaffe ich das Rad dann tatsächlich auf die Fähre und genieße die halbstündige Überfahrt.
Blick auf Santander

In Santander finde ich die Herberge relativ schnell.
Türschild an der Herberge
Die Dame im Empfang kann weder Deutsch noch Englisch, dennoch verstehen wir uns ganz gut. Die Übernachtung mit Frühstück kostet für mich 10 Euro, für das Toxy (ohne Frühstück) 3 Euro. In dem großen Schlafraum stehen ungefähr 30 Betten (Doppelstock). Ich werde heute zum ersten Mal meinen Jugendherbergsschlafsack ausprobieren (In deutschen Jugendherbergen haben diese ausgedient, dort gibt es Bettwäsche, die man selbst beziehen muss). Die Matratzen sind ziemlich weich. Männlein und Weiblein dürfen im selben Raum schlafen, lediglich die Sanitäranlagen sind getrennt - dafür aber relativ einfach.

Nach einer ausgiebigen Dusche fühle ich mich wieder besser und mache mich auf in das Centro von Santander.
Tagebuchschreiben 
Unterhalb der Herberge finde ich zunächst einmal eine Bar, in der ich bei einem Cerveza und einem Eibrötchen (Stärkung muss sein!) den ersten Teil des Tagesblogs schreibe.
Kapelle unter der Kathedrale

Danach besichtige ich die wirklich ausgesprochen schöne Kathedrale, die eigentlich aus zwei Kirchen besteht, denn unterhalb der eigentlichen Kathedrale befindet sich eine sehr niedrige "alte" Kirche. Sehenswert ist auch der prächtige Kreuzgang.
Kreuzgang

Kathedrale

Kathedrale
kostenloses Konzert


Anschließend mache ich einen Stadtbummel. Offensichtlich ist gerade ein riesiges Stadtfest im Gange - es sind massenhaft Stände aufgebaut, an denen es Pinchos (kleine mit Leckereien belegte
Santander-Bank

Santander: Flaniermeile
Brötchen) und Getränke gibt. Ein Kreuzfahrer macht gerade im Hafen fest, und die Menschen schauen dabei interessiert zu. Ich trinke in einem kleinen Straßencafe einen Kaffee und schaue dabei vier (sehr) alten Damen zu, die jede ein Handy - älterer Bauart - in der Hand haben und sich gegenseitig Nachhilfeunterricht geben. Ach ja, gegen 7 Uhr hat es ein paar Regentropfen gegeben, die sind aber schon wieder verdampft. Im Übrigen sagt der Wetterbericht ab Mitte nächster Woche Regen voraus. Hoffentlich hat er in dieser Beziehung genauso wenig recht, wie unser Wetterbericht in Kiel.